Ausgabe:

2023/03-E

1. Info an Passagiere über Flugstreichung

Bei Annullierung eines Flugs wird den betroffenen Fluggästen nach den Regelungen der EU-Fluggastrechteverordnung vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistung eingeräumt. Die Ausgleichszahlungen betragen:
a) 250 € bei allen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger,
b) 400 € bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km,
c) 600 € bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Dieser Anspruch entfällt jedoch, wenn der Fluggast über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet wird. Die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Flugs unterrichtet wurde, trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seiner Entscheidung v. 27.9.2022 klargestellt, dass ein Anspruch auf Entschädigung auch dann besteht, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information zwar rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E-Mail-Adresse gesandt hat, aber nicht wusste, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat. Entscheidend ist nämlich, dass der Fluggast nicht rechtzeitig über die Annullierung seines Flugs informiert wurde.

2. Kein Schadensersatz wegen fehlender Nutzbarkeit von EasyPASS

An vielen Flughäfen kann mittlerweile EasyPASS genutzt werden. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der – neben weiteren Voraussetzungen – mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall war ein Flughafen mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet. Auf der Internetseite des Flughafens wurde auf das EasyPASS-System hingewiesen, ohne aber das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen.

Eine Familie mit drei minderjährigen Kindern hatte von diesem Flughafen aus einen Überseeflug gebucht. Da nicht alle Familienangehörige aufgrund ihres Alters das EasyPASS-System nutzen konnten, und es u. a. dadurch beim Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen zu Verzögerungen kam, verpasste die Familie den Flug. Die Richter des BGH verneinten einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Flughafenbetreiber. Die Organisation der Passkontrollen fielen nicht in den Verantwortungsbereich der Flughafenbetriebsgesellschaft, sondern in den der Bundespolizei. Verzichtet der Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, ohne sich rechtzeitig über dessen Modalitäten zu informieren, begibt er sich freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind, so die BGH-Richter. Im Übrigen darf sich ein Fluggast auch nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen.

3. Kostenvorschussanspruch gegen den Auftragnehmer wegen Mängeln

Die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs durch den Auftraggeber wegen Mängeln setzt grundsätzlich eine ordnungsgemäße, fristbeinhaltende Mängelbeseitigungsaufforderung an den Auftragnehmer voraus. Eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung nebst Fristsetzung ist entbehrlich, wenn das Verhalten des Auftragnehmers von vornherein zweifelsfrei und endgültig erkennen lässt, dass er eine Aufforderung zur Nacherfüllung nicht nachkommen wird.

Einer o. g. Aufforderung bedarf es auch dann nicht, wenn sich der Auftragnehmer bei der Bauausführung derart unzuverlässig und nachlässig verhalten hat, dass dem Auftraggeber die Vornahme der Mängelbeseitigung durch den Auftragnehmer nicht mehr zumutbar ist. Allein das Vorhandensein einer mangelhaften Leistung begründet i. d. R. nicht die Unzumutbarkeit einer Nachbesserung durch den Auftragnehmer. Etwas anderes gilt, wenn in ungewöhnlicher Häufigkeit gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen wurde, die Verstöße zu gravierenden Mängeln geführt haben und der Auftraggeber deshalb das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers endgültig verloren hat.

4. Gleicher Lohn bei Teilzeitbeschäftigung

Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. Dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts v. 18.1.2023 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Rettungsassistent war als Minijobber bei einem Rettungsdienst tätig. Dieser beschäftigte sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit mit einer Stundenvergütung von 17 €/brutto. Daneben waren sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten mit einer Stundenvergütung von 12 €/brutto für den Rettungsdienst tätig.

Der Arbeitgeber teilte diese nicht einseitig zu Diensten ein, sondern sie konnten vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen der Arbeitgeber versuchte, zu entsprechen. Der als nebenamtlicher Rettungsassistent beschäftigte Arbeitnehmer war der Auffassung, dass die unterschiedliche Stundenvergütung eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit darstellte. Der Arbeitgeber dagegen hielt die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil er mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand hatte. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz kann ein sachlicher Grund eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten waren gleich qualifiziert und übten die gleiche Tätigkeit aus. Der vom Arbeitgeber pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildete keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.

5. Urlaubsabgeltung – Verjährung

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 20.12.2022 entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach dem Bundesurlaubsgesetz verfallen, noch nach drei Jahren verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt i. d. R. am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt.

6. Versicherte Tätigkeiten im Homeoffice

Arbeitsunfälle sind die Unfälle, die versicherte Personen infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden, z. B. am Arbeitsplatz. Grundsätzlich fällt jeder, der in einem Arbeits-, Ausbildungs- oder Dienstverhältnis steht, kraft Gesetzes in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dieser erstreckt sich auf Arbeits- und Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten. Die Grenze zwischen beruflicher und privater Tätigkeit im Homeoffice verläuft allerdings fließend. Tätigkeiten zur Erfüllung betrieblicher Aufgaben bzw. Tätigkeiten, die mit der Handlungstendenz ausgeübt werden, dem Unternehmen zu dienen, sind im Homeoffice versichert.

Wege im Homeoffice mit der Handlungstendenz, eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen, sind nicht versichert. Verunfallt beispielsweise eine versicherte Person auf dem Weg zur Haustür, weil sie dort eine private Paketsendung entgegennehmen will, handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall. Wege zur Toilette, zum Holen eines Getränks oder zur Nahrungsaufnahme sind auch im Homeoffice genauso versichert wie auf der Unternehmensstätte. Ebenso stehen unmittelbare Wege zu und von dem Ort, an dem ein Versicherter wegen seiner beruflichen Tätigkeit seine Kinder zur Betreuung unterbringt, z. B. Kindergarten oder Kita, unter Versicherungsschutz, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird.

7. Fiktiver Schadensersatz bei unterlassener Schönheitsreparatur nach beendetem Mietverhältnis

In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall war ein Mieter nach nach dem Mietvertrag zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses verlangte der Vermieter von seinem Mieter Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen. Diesen berechnete er auf Grundlage eines Kostenvoranschlags. Der Mieter war jedoch der Auffassung, dass der Vermieter keine fiktive Höhe als Schadensersatz verlangen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung im Mietrecht auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung der Miet sache erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Kosten bemessen werden. Im laufenden Mietverhältnis kann der Vermieter vom Mieter einen Vorschuss in Höhe der erforderlichen Renovierungskosten verlangen, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Schönheitsreparaturen in Verzug befindet. Solche Vorschussansprüche bestehen allerdings nicht mehr nach Ende des Mietverhältnisses.

8. Mietpreisbremse greift nicht bei laufenden Mietverhältnissen

In der Regel kommt eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete auf die neue Miethöhe durch die Zustimmung eines Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters zustande. Diese stellt den Rechtsgrund für die daraufhin erbrachten erhöhten Mietzahlungen dar. Die Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (sog. Mietpreisbremse) finden auf eine Mieterhöhungsvereinbarung während eines laufenden Mietverhältnisses keine Anwendung.

9. Rechts-vor-links-Regelung nicht auf öffentlichen Parkplätzen

Nach der Straßenverkehrsordnung hat an Kreuzungen und Einmündungen derjenige die Vorfahrt, der von rechts kommt, außer wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist oder für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen. Es muss sich also bei den aufeinanderstoßenden Fahrbahnen um Straßen handeln. Ein Parkplatz ist dagegen – als Ganzes betrachtet – keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche, die – vorbehaltlich spezifischer Regelungen durch den Eigentümer oder Betreiber – grundsätzlich in jeder Richtung befahren werden darf.

Parkflächenmarkierungen, die den Platz in Parkplätze und Fahrspuren aufteilen, ändern für sich genommen daran nichts, sodass durch solche Markierungen entstehende Fahrbahnen – wie allein durch die tatsächliche Anordnung der geparkten Fahrzeuge gebildeten Gassen – kein Straßencharakter zukommt. So entschied der Bundesgerichtshof am 22.11.2022, dass die o. g. Vorfahrtsregel („rechts vor links“) auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung keine Anwendung findet, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.

10. Widerrufsbelehrung erfordert ausreichende Lesbarkeit

Hinreichende drucktechnische Hervorhebungen der Widerspruchsbelehrung zu einem Lebensversicherungsvertrag fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Benutzung einer hinreichend großen Schrift sowie Schriftart voraus. Außerdem muss die Belehrung zumindest durch die Drucktechnik bzw. -art so stark hervorgehoben werden, dass sie dem Versicherungsnehmer beim Durchblättern der übersandten Unterlagen nicht entgehen kann, selbst wenn er nicht aktiv und bewusst nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht. Zu dieser Entscheidung kam das Oberlandesgericht Dresden in seinem Beschluss v. 28.4.2022.

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